Freundschaft.
„hey.. hast du kurz zeit?“
„hey! ja, warum? ist was passiert?“
„ja..“
ich wusste schon, was los war. – „oh gott, ok?“
„kann ich dich anrufen?“
„ja, mach.“
er hat angerufen. mein herz schlug mir bis zum hals.
„was ist los?“
„sie hat unseren chat von gestern gelesen.“
„oh gott…. welchen teil davon?“
„alles. bis zum schluss.“
ich weiß gar nicht mehr, was er danach gesagt hat, er hat zwar weitergeredet, aber ich stand so unter schock und angst vor dem, was jetzt kommen würde, dass ich gar nichts aufnehmen konnte. ich hab sofort zu heulen angefangen. ich konnte deutlich die traurigkeit in seiner stimme hören, was mir innerlich ein gefühl der bestätigung gab, dass es das letzte mal sein würde, dass ich jemals von ihm höre.
„und was heißt das jetzt für mich? löschst du mich jetzt? und was ist mit nächster woche?! das heißt, wir sehen uns nicht? kickst du mich jetzt aus deinem leben?“ im nachhinein kommt mir die frage mit nächster woche irgendwie dämlich vor, aber in dem moment ist alles ausgebrochen, die ganze panik ihn zu verlieren. ich hab so geweint, nicht leise, sondern so, dass er alles hören konnte.
„nein, das will ich nicht damit sagen. es wird alles so bleiben wie es war, ich werde dich nicht meiden oder löschen oder sonstwas.“ seine stimme wurde ebenfalls energischer, kämpfender. „und ich werde dich nicht aus meinen leben löschen, du bist mir so wichtig, wir haben eine so enge verbindung, ich kann deine seele spüren.“ ich war immer noch am weinen. aus angst, erleichterung, schock, keine ahnung. „es bleibt wie es war, nur … wir müssen damit aufhören.“
„und was ist mit nächster woche? wirst du mich noch treffen?“ ich hatte mich so langsam beruhigt, auch wenn ich immer noch am weinen war.
„natürlich. natürlich sehe ich dich nächste woche.“
wir sprachen über sie und wie es weitergehen würde und was er mit ihr geredet hatte.
„was hast du ihr gesagt?“
„naja, sie wollte wissen, woher ich dich kenne und wie wir uns getroffen haben. sie wollte wissen, was zwischen uns läuft.“
ich kann mich nicht mehr erinnern, was wir alles geredet haben, oder viel mehr, was er gesagt hat, da ich die meiste zeit nur am heulen war. irgendwann sprach er von der ganzen situation und da wurde ich sauer und sagte, immer noch unter tränen: „das ist so unfair, ich habe gar nichts gemacht, das ging wieder alles von dir aus! du hast wieder damit angefangen! wir hatten das gleiche gespräch doch schon vor einem jahr und ich habe mich an alles gehalten und DU hast wieder mit dieser scheiße angefangen!“ – er ließ mich meinen ganzen frust rausschimpfen und hat sich geduldig und brav meine komplette verletzung ohne ein widerwort an den kopf werfen lassen. auch wenn es natürlich nicht ganz fair war, ein teil trifft mich auch, aber das war mir in dem moment egal. ich wusste, dass ich so weit gehen konnte, er würde mir oder generell jemand anderem niemals etwas vorwerfen oder böse sein oder zurückpampen. dafür ist er viel zu sensibel. – „ich weiß. ich weiß, dass es meine schuld ist.“
wir haben geredet. nicht lange.
„ok, ich .. hör dich später, ja?“ – „ok.“
ich hab heulend meiner freundin – die, die eingeweiht ist – eine sprachnachricht aufgenommen und daraufhin sofort mit ihr telefoniert. eine halbe stunde später textete er mir auf whatsapp. – „wie gehts dir? bist du ok?“ – „ja.. nur der schock sitzt tief.“ – „naja.. ich denke, an ihrer stelle würden alle so reagieren.“ – „ich weiß. mich wundert sowieso, dass du noch mit mir reden darfst.“ – daraufhin hat er nicht mehr reagiert. also darf er es nicht?
ich habe mich die ganze woche bis zum treffen nicht mehr getraut, ihm wieder zu schreiben. nicht, dass sie wieder versehentlich meinen namen im sperrbildschirm sieht und wieder ärger auftaucht.
wir hatten uns für zwei male verabredet, weil er für ein paar tage in meiner nähe war.
das erste treffen war mit vielen tränen verbunden. wir saßen in einem café und hatten uns über alles unterhalten. über sie, über tobi, über uns.
ich kann mich nicht mehr erinnern, was genau er da sagte, ich glaube, er sprach generell über seine familie, und ich hab gemerkt, wie der ganze schmerz und die tränen in mir aufstiegen und mir den hals zuschnürten, obwohl ich wirklich so hart gekämpft hatte, nicht zu weinen. ich hab ihn nur die ganze zeit angelächelt und mir sind irgendwann stumm die tränen runtergeflossen. er lächelte mich an, nahm meine hand und sagte ganz sanft: „warum weinst du?“ das thema war auch eigentlich.. nicht so, dass es mich zum weinen hätte bringen sollen, aber das tat es trotzdem. – „ach ich weiß auch nicht“, schluchzte ich, „das ist nur alles so scheiße. und das tut mir alles so leid, was passiert ist. und mir tut es auch um sie leid. ich finde sie so cool und ich mag sie wirklich, wirklich wirklich, aber die gefühle für dich sind einfach so stark, und ich fühle mich so schlecht ihr gegenüber, am liebsten würde ich zu ihr hingehen und mich bei ihr entschuldigen.“ – er lächelte etwas und sagte: „tu das bitte nicht. das ist etwas zwischen ihr und mir.“ – ich lachte leicht unter tränen und meinte: „natürlich mach ich das nicht! denkst, ich bin wahnsinnig?!“
irgendwann während des gespräches meinte er: „weißt du, diese sache verletzt vielleicht niemanden in deiner welt, aber in meiner welt tut es das schon.“ – „ja, das denkst du, dass das niemanden in meiner welt verletzt.“ – er war total irritiert. „ja, das ist das, was du gesagt hast. dass du die erlaubnis hast.“ – „ich weiß. aber bloß weil ich die erlaubnis habe, heißt das nicht, dass das spurlos an ihm vorbeigeht.“ … er war .. erschrocken. und es tat ihm leid, das merkte ich sofort an seiner mimik und gestik. „ich denke, wenn es immer weitergeht, hat er schon angst, dass meine gefühle immer stärker werden.“ – „okay, das… macht mich traurig.“ – „warum?“ ich wusste natürlich warum, aber ich wollte es ihn sagen hören. – „dass ich seine angst befüttere.“ – „naja, wenn du es nicht wärst, dann wäre es jemand anderes.“ – „ja, aber es bin ich.“ – ich erzählte ihm, wie alles zustande kam. das gespräch lockerte sich dann auch irgendwann wieder etwas auf.
ich habe ihn gefragt, wie die beiden miteinander verblieben sind. ob er überhaupt noch zu mir kontakt haben darf oder was auch immer. irgendwie umging er die frage. ich hab an diesem tag keine klare antwort darauf bekommen.
er musste los.
am nächsten tag .. wollte ich nochmal über die sache reden. ich hatte mir den rest des vortages gedanken über unser gespräch gemacht, mir so vieles im kopf zurechtgelegt was ich hätte sagen wollen.
wir trafen uns in der nähe des cafés vom vortag, er kam schon strahlend und gut gelaunt auf mich zu, nahm mich ganz innig in den arm. ich schlug vor: „lass doch da drüben ins café gehen“, ich dachte, er hätte nicht viel zeit, weil ich wusste, dass er noch einiges erledigen musste. – er strahlte und meinte: „ich hab eine bessere idee!“ er plante einen gemeinsamen ausflug, was mich irgendwie irritiert hatte, da ich davon überzeugt war, dass es eh nur für einen kurzen kaffee reichen würde. er hatte sich extra etwas zeit freigeschaufelt, wir besuchten eine ausstellung und danach noch eine andere „attraktion“ (wo ich aus gründen meiner privatsphäre bzgl. meines wohnortes nicht näher drauf eingehen will). ich fand das mega süß, dass er sich in seinem stressigen alltag solche mühe gab, etwas zu planen, was wir zusammen machen könnten.
das ganze treffen war eigentlich… oberflächlich gesehen sehr schön. unter diesen umständen fühlte ich mich aber permanent unwohl. ich wusste nicht, wie ich mit ihm umgehen sollte. wir verständigten uns am tag zuvor, dass wir es wirklich auf der freundschaftsschiene miteinander versuchen wollten, jedoch… es herrscht einfach kein freundesfeeling. nicht so schnell.
wir spazierten zur ausstellung. wir unterhielten uns erneut über sie und auch über tobi. – „um ehrlich zu sein, hab ich dir die letzten tage nicht geschrieben, weil ich angst hatte, sie würde meinen namen auf deinem handy lesen.“ – „da brauchst du dir keine gedanken machen. wann immer du mich brauchst, du kannst mir immer schreiben.“ – „stört es sie denn nicht?“ – „naja, sie fragt eigentlich nicht nach, mit wem ich kontakt habe.“ – „aber ist sie denn okay damit, dass wir weiterhin in kontakt stehen?“ – er druckste rum und meinte sowas wie „mmmhmhhhmmmmmm…“ – „ok, anders, das heißt, DU bist damit okay?“ – „ja.“
auf dem weg zur ausstellung fuhren wir mit der rolltreppe nach oben. ich stand vor ihm und er hinter mir. er lehnte seinen kopf an meine schulter. nähe suchend. ich habe nichts gesagt, es war nur .. ich fühlte mich wie in einer zwickmühle.
später eine weitere rolltreppe. er stand wieder hinter mir. ich drehte mich zu ihm um, weil ich sehen wollte, wo er war, und bemerkte erst da, wie nah er sich zu mir hingestellt hatte. keine stufe zwischen uns. ich drehte mich um und sein gesicht war keine zehn zentimeter von meinem weg. er schaute in dem moment woanders hin, aber .. da waren keine berührungsängste, kein persönlicher raum, deren grenze man als freunde normal nicht überschreitet. es war normal für ihn, mir so nahe zu sein.
wir waren etwas zu früh bei der ausstellung und mussten warten, bis sie geöffnet wurde. wir standen da, er schaute mich an und ich ihn, keine unangenehme stille, aber .. schon irgendwie auch. „macht es das für dich schwerer?“ – ich überlegte kurz und sagte: „nö“, denn das tat es auch nicht. ich bin gerne mit ihm zusammen und das wird sich nie ändern. – „du lügst.“ – „warum lüge ich?“ – „ich sehe es in deinen augen.“ – „dann sag mir, was die wahrheit ist.“ – „das macht es für dich schwerer.“ – „hmm, weiß nicht.“ ich zuckte mit den schultern. sein inkongruentes verhalten machte es schwerer. nicht das treffen an sich. ich konnte es aber in dem moment nicht aussprechen, da meine gefühle so stark waren, es ist wie eine schüssel, die randvoll mit wasser gefüllt ist. man kann nicht nur einen tropfen rauslassen, wenn man einmal anfängt, dann läuft man gefahr, dass man alles verschüttet. also versucht man die barriere komplett aufrecht zu erhalten.
wir setzten uns irgendwann. wir unterhielten uns. er sagte so viele dinge, die .. mich nicht mehr in dem verhältnis, das wir bis dato zueinander hatten, bleiben lassen wollen. ich möchte jetzt die freundschaft. das war aber in dem moment noch nicht der fall. es brauchte eine zeit, bis sich alles gesagte setzen konnte und ich dieses gefühl – das gefühl von dem echten willen nach freundschaft – entwickeln konnte. wir saßen zusammen und unterhielten uns nochmal über alles, auf mein drängen. er sah mich an und sagte: „nicht weinen, wir haben gesagt, keine tränen mehr.“ er nahm meine hand und streichelte sie. – „deine hände sind immer so weich“, sagte ich. er strich mir über die finger. die meiste zeit war er ein freund. aber wenige momente lang war es wie vorher. und das machte es schwierig. ich habe kein problem mit einer freundschaft, aber ich küsse meine freunde nicht ins gesicht, ich streichle nicht ihre hände und kuschle auch nicht mit meinen freunden. während er immer wieder aus diesem freundschaftsverhalten ausbrach und in alte muster zurückfiel, zog ich die freundschaft für diesen tag straight durch, zumindest die meiste zeit. das war, was es schwierig machte. wenn er aus der reihe tanzte. aber ich konnte es an diesem tag einfach nicht kommunizieren.
auf dem weg zurück und weg von der ausstellung nahmen wir wieder die gleiche rolltreppe. diesmal war er vor mir und ich hinter ihm. er hatte mich bis dahin immer wieder angefasst, nicht so oft wie sonst, verglichen zu früher vielleicht so 20%, aber es war keine hundertprozentige freundschaft. natürlich nicht. nicht so schnell. er stand vor mir, er hatte so einen kuschligen schwarzen sweater an und … ich gebe zu, ich wollte ihn einfach anfassen. ich wollte ihm nahe sein. in dem moment dachte ich mir: „komm, der hat dich die ganze zeit immer und immer wieder angefasst und du hast dich zu hundert prozent an die freundschaft gehalten. scheiß drauf ey.“ – ich legte meine arme um ihn auf seine schulter und drückte meinen kopf an seinen. – „solange ich dich umarmen kann, tue ich das auch“, sagte ich witzelnd. – er antwortete ganz klar, und nicht witzelnd: „und ich werde dich nicht aufhalten.“ was mich zunächst irritierte, aber dann wurde das „scheiß drauf“ in meinem kopf größer, ich kraulte ihn an der taille, umarmte ihn nun um seinen bauch und kuschelte mich an seinen rücken. drauf geschissen ey.
die verabschiedung war tränenreich. ich umarmte ihn um seinen hals und fing an zu weinen. nach einer langen und innigen umarmung schaute er mich an, ich fing noch mehr an zu weinen, weil ich ihn jetzt schon vermisst hatte, und warf mich an seine brust und umarmte ihn um seinen bauch. er gab mir einen kuss auf den kopf und strich mir über die schultern. – „okay, ich muss los.“ er bedankte sich für den vormittag und lächelte. ich lächelte ebenso, er ging durch die tür und das wars. am abend hat er mir noch die bilder geschickt, die wir zusammen gemacht haben, ohne worte. ich habe ihm ein lächeln zurückgeschickt, auch ohne worte. seither keinen kontakt mehr gehabt.
ich wollte schon viel länger darüber schreiben, aber dann kam mir tokio entgegen. ich war jetzt bis samstag für zehn tage in tokio auf den backstreet boys konzerten. keine ahnung wann, aber ich hoffe, ich werde dazu noch nachträge machen. ich gebe zu, lust hab ich keine. aber mal schauen. ich wollte zumindest mal zu diesem thema … ein paar worte finden. ich muss sagen, ich bin zuversichtlich, dass .. wir es schaffen, nur freunde zu sein. keine ahnung.
suzaku