Shomi ist tot.

Shomi ist tot.

es ist 8:23 und ich sitze hier auf dem sofa im wohnzimmer mit dem laptop auf dem schoß. neben mir liegt mein smartphone und aus den kleinen handyboxen läuft colter wall mit „transcendent ramblin railroad blues“. ich find den titel etwas doof, den kann ich mir auch nie merken. für mich ist das einfach „lay me down easy“.

 

 

die letzte nacht war irgendwie doof, ich konnte überhaupt nicht einschlafen, sodass ich noch um halb drei nachts wachlag mit so ein paar halbschlaf-eindös-pausen zwischendurch, aber nicht mit wirklichem schlaf. ich bin dann wie gewohnt trotzdem früh aufgestanden, so kurz vor fünf und habe mich geschminkt und nebenher einen kaffee getrunken, wie immer halt. weil ich es das erste mal, als ich unten war, um den kaffee zu machen, vergessen hatte – eben vor lauter müdigkeit – bin ich dann, bevor ich meine sachen für die arbeit gepackt habe, schnell zu shomi an den käfig, um ihm seine medizin zu geben.

am samstag habe ich ihm entsprechend später erst die tropfen gegeben, weil ich ja da nicht um fünf uhr oder so aufstehe. am samstag hatte er dann schon etwas gequiekt, als ich ihm die tropfen gab, aber da war auch tobi dabei, der im hintergrund gesprochen hatte, und ich dachte mir schon, dass er vielleicht angst bekommen hatte, weil tobi ihn vielleicht das eine mal etwas erschreckt hatte. außerdem war es ja schon fünf stunden später als sonst, vielleicht hätte er schmerzen und hat deshalb gemeckert. und außerdem war er da sicher schon in der tiefschlafphase, während – wenn ich ihm morgens die tropfen gebe – er ja erst kürzlich ins bett gegangen sein musste.

gestern vormittag dann wieder zur gleichen zeit wie am vortag, aber diesmal mit wesentlich mehr gemecker. also er hat sich total gewehrt, seinen kopf ständig im klopapier vergraben, sich weggedreht. also ich habe bestimmt zehn minuten gebraucht, um ihn irgendwie zu den tropfen hinzuvergewaltigen, was mich schon gewundert hat, da das so total untypisch war. aber vielleicht hat er sich das vom vortag einfach gemerkt und deshalb mehr angst? .. also das fand ich schon höchst seltsam, weil shomi mir gegenüber ja nie irgendwie ablehnend war. sogar da, als er sich frisch das bein gebrochen hat und wie gesagt auch beim tierarzt, hat er sich ganz lieb und gutmütig hochnehmen und tragen lassen.

gestern abend hab ich ihm dann birne in den käfig gelegt, weil ich am vormittag, als er sich so gegen die tropfen gewehrt hatte, gesehen habe, dass er nur die birne angerührt hat. die war auch schön reif und demnach süß und saftig, war klar, dass er die am liebsten isst, denn shomi hat immer nur das ungesunde zeug gegessen. während tchibo am liebsten sellerie vernascht hat (wtf), mochte shomi eigentlich immer nur birne, traube und apfel. das ganze gemüse, bah, geh mir weg damit.

ich bin dann vorher zum käfig, erstmal, als ich die treppen runtergegangen war, ein kräftiges „shooomi“ und dann noch ein „stiiiiinki“ hinterhergequiekt, damit er schon weiß, die nervige alte, mein human, kommt jetzt und nervt mich. das mach ich eigentlich immer, so als vorankündigung. ich hab gleich mal die spritze genommen, in der die tropfen sind und die käfigtür aufgemacht. schon davor und auch währenddessen hab ich gesehen, dass die birnenscheiben vollkommen unangetastet waren und das fand ich schon mal gruselig. auch in kombination mit dem, dass er gestern so sehr zickig war und ich mir dachte, dass es sicherlich schlimmer geworden sei und er sicher so große schmerzen hat, dass er gar nicht mehr das haus verlassen wollte. da hab ich schon innerlich überlegt, wann ich heute mit ihm zum tierarzt gehen kann, um es nochmal nachchecken zu lassen. ich bilde mir ein dieses typische nagergeräusch gehört zu haben, bevor ich den deckel vom häuschen vorsichtig angehoben habe. er streckte mir seinen rücken entgegen, den kopf tief vergraben. „shooooomi“ hab ich wieder penetrant, aber trotzdem lieb in meiner babystimme hergekrächzt. keinerlei bewegung. da hab ich mir aber noch nicht so viel dabei gedacht, weil ich ja das nagergeräusch gehört habe. noch ein paar mal „shoooomilein“ in babysprache gesagt, immer noch keine regung. dann empfand ich es als seltsam ruhig. kurz das klopapier bewegt. nichts. in ernster stimme dann: „shomi?“, direkt nach der box mit den nüssen gegriffen und damit am häuschen geklappert, weil das shomis number one lockmittel war, während ich gehört habe, wie tobi sich in der küche einen kaffee machte; da hab ich sofort gerufen: „schnurzi, komm mal her!“, während ich immer panischer wurde. ich hab dann sogar das häuschen verschoben, da spätestens dann shomi seinen kopf nach oben strecken würde. tobi kam her und ich so: „oh gott, guck mal nach shomi“ und hab direkt zu heulen angefangen, tobi kam näher, um es sich anzugucken und ich sofort weggelaufen und währenddessen gesagt: „bitte fass ihn mal an, ich dreh durch!“ tobi hat ihn ganz sanft über den rücken gestreichelt, keinerlei reaktion und ich so: „und??? ist er warm?!“ und tobi so: „ja, er ist warm“ – „dann lebt er noch!“ – „aber schau mal … er atmet nicht mehr. das würde man sofort sehen“, und erst da hab ich auf die atmung geachtet und ich so: „ja und wenn er sich nicht mal regt, wenn du ihn anfasst…“ – „aber warm ist er…“ – ich hab meine hand vorsichtig reingehalten und ihn auch gestreichelt. ja, warm war er, aber keinerlei bewegung. ich erstmal geheult und panisch geworden, das sind so momente, da .. hat man noch gar keine zeit, irgendwie schlau zu reagieren, sondern da wird man erstmal panisch und diskutiert und keine ahnung, da muss  die information erst noch irgendwo in deinem hirn ankommen. tobi hat ihn nochmal gestreichelt und meinte, er wäre schon hart und kalt. ich hab danach auch nochmal die hand reingestreckt und ihm über den rücken gestrichen, diesmal nicht mehr so vorsichtig, sondern etwas doller, und da hat er wirklich härter gewirkt und er war mittlerweile auch nicht mehr so warm wie gerade, sondern schon etwas.. lauwarm. „vermutlich wird er jetzt kalt, weil das häuschen offen ist und die wärme sich nicht mehr darin staut“, sprach tobi, „aber dann ist es vermutlich noch nicht lange her.“ wir sind beide vor dem käfig gestanden und ich hab geheult wie ein schlosshund, während tobi mich dann in den arm genommen hat. irgendwann hab ich es „einfach“ akzeptiert, hab den deckel wieder draufgelegt und meinte, ich beerdige ihn dann heute nachmittag nach der arbeit. „da helf ich dir dann natürlich“, sagte tobi ganz bedröppelt, während ich die ganze zeit am heulen war. ich bin nach oben gegangen und wollte mir meinen obligatorischen kaffee to go für die arbeit machen bzw. habe das dann auch und meinte: „ich glaub, ich geh heut nicht zur arbeit. ich hab eh beschissen geschlafen und immer noch kopfweh.“ – seit donnerstag hab ich durchgängig kopfschmerzen, tobi hat mich schon die ganzen letzten tage jeden abend massiert, nicht mal ne novaminsulfon hat geholfen. und dann noch sowas. während dann mein kaffee to go dann aus der kaffeemaschine gestrudelt war, ich noch kurz neben der küche in der gästetoilette mir klopapier abgerissen hatte, um mein make-up irgendwie zu verarzten, hab ich gesehen, was für krass rote augen ich hatte und wie beschissen ich einfach aussah, bin zur küche zurück und meinte so: „ich bleib heut daheim.“ – und ja, da bin ich nun. heulend mit kopfweh auf dem sofa.

 

also, ich bin wahrscheinlich höchst naiv, aber ich glaube, das will man dann auch in dem moment glauben, bzw. das ist einfach so ein .. selbstschutz-mechanismus und -automatismus, aber ich hätte nie und never und nimmer damit gerechnet, dass shomi einfach so verstirbt. also worüber ich mir öfter gedanken gemacht habe, auch, als er eben die letzten zwei tage so zickig auf das medikament reagiert hatte, ist, dass ich dann mit ihm nochmal zum tierarzt gehe, um es nochmal zu checken und dann entweder wirklich das bein abgenommen worden wäre, was er dann nicht überlebt hätte oder dass die ärztin sagt, es macht keinen sinn mehr, man müsse ihn jetzt einschläfern lassen. also auf diese art und weise hab ich schon den tod von dem kleinen befürchtet, aber dass er quasi „EINFACH SO“ jetzt in seinem käfig verstirbt, also … das hab ich bis zu dem moment nicht geglaubt, als ich dann über den lauwarmen rücken gestrichen habe. ich geh sogar einen schritt weiter, ich kam überhaupt nicht auf die idee, dass er jetzt ohne einer weiteren „aktion“ versterben könnte.

was mich so fertig macht an der ganzen sache ist, dass ich den tod jetzt so absolut unnötig empfinde und so total sinnlos. ich meine, bei tchibo hat man einfach die lebenskräfte schwinden sehen, man merkte ihm sein alter an und es war dann halt auch einfach irgendwann .. gut so. aber shomi war noch quicklebendig, er ist vor anderthalb wochen hier noch rumgeflitzt, sodass man echt sorgen hatte, ob man mit ihm mithalten könnte und er einem nicht davonrennt. mit seinen 21 monaten war er noch viel zu jung und sowieso wirkte er total fit und noch überhaupt gar nicht alt und klapprig, sondern auch total neugierig aufs leben. nur anhand seiner optik, dem grauen, dünner werdenden fell, hat man gemerkt, dass er so langsam älter wird und ich hab mich immer gefragt, wie viel früher als tchibo er versterben würde, weil er einfach so „unvernünftig“ war und immer nur den ungesunden schrott gegessen hat, nie ein stückchen gemüse oder grünfutter, sondern immer nur das süße obst und vom trockenfutter auch nur das getreide. sich vielleicht mal zu einem stück gurke erbarmt, und karotten sind auch noch okay. und es tut mir auch so leid im nachhinein, weil tchibo irgendwie immer noch so innerlich meine nummer eins war, da tchibo richtig menschenbezogen gewesen ist und shomi immer etwas vorsichtiger und misstrauischer war und ich irgendwie immer ein bisschen tchibo mit seiner anhänglichen art hinterhergetrauert habe. auch wenn sichs natürlich lächerlich anhört, immerhin reden wir hier „nur“ von einem hamster, aber.. ich projeziere witzigerweise halt ganz viel von mir selber in die sache hinein, nämlich, dass ich auch nur nummer zwei bei meiner mutter war und ich natürlich keinem meiner haustiere – meinen einzigen babies, weil ich nie ein „echtes menschenbaby“ kriegen werde – das gefühl geben, es wäre nur nummer zwei, egal, wie klein es ist und egal wie kurz sein leben dauert verglichen zu meinem. es tut mir halt einfach so unendlich leid, dass so ein kleiner, quicklebendiger hamster, der er vor anderthalb wochen noch war, jetzt tot in seinem häuschen liegt, mit seinen viel zu großen ohren und der eigentlich nie endenden neugier, obwohl er immer so misstrauisch und vorsichtig war. und wie er sich auch einfach direkt nach dem bruch hat aufsammeln und in den käfig tragen lassen! ganz und gar nicht misstrauisch und vorsichtig, sondern voller vertrauen und hilfesuchend.

mein kleiner shomibär mit seinen viel zu großen ohren..

cashews waren eh sein größtes.

 

dieser eintrag dauert schon viel zu lange. ich bin auch gerade eher so drauf, dass ich .. keine lust hab auf heulen. eigentlich möcht ichs die ganze zeit vor mir herschieben. hab zwischendurch auch mal ein 10-minuten-video von „britt, die talkshow“ angeschaut, weil mir das alles viel zu anstrengend ist. ich weiß, das klingt so bescheuert irgendwie, aber für mich ist das einfach so ein riesen schock. ich hab mich noch nicht dran gewöhnt, dass da jetzt bald was zu ende geht, trotz des beinbruchs. bei tchibo konnte man sich irgendwie einstellen, sogar bei meinem vater konnte ich mich irgendwie drauf einstellen, durch den besuch einen tag vor dem eigentlichen tod. aber bei shomi hab ich eigentlich bis zur letzten minute überhaupt nicht damit gerechnet. und ja, ich weiß, ich vergleiche hier gerade zwei hamster mit meinem vater, aber ich will gar nicht die menge eines schmerzes vergleichen, sondern das „wie“. shomi kommt mir vor wie ein kleines kind, das plötzlich vom auto überfahren wird, während tchibo ein röchelnder, alter mann im altersheim mit drei herzinfarkten war. und zu welcher sorte mein vater gehörte, das dürfte auch klar sein.

 

das bild find ich auch süß.

genau so war shomi. ängstlich, aber trotzdem sau neugierig.

 

tobi und ich werden ihn heute nachmittag zusammen vergraben. ich bin froh, dass ich diesmal nicht alleine bin. bei tchibo fand ich es gut, dass ich alleine und tobi bei seinem männer-wochenende war und ich mich in ruhe verabschieden und rumheulen konnte, aber, keine ahnung wieso, bei shomi find ich es jetzt gerade alles anstrengend und schwer.

das „witzige“ ist, .. an dem abend, als ich shomi aus dem käfig genommen und ihn habe rumrennen lassen, da, als er sich das bein gebrochen hatte, bin ich vorher irgendwo bei insta über einen spruch gestolpert, der in etwa so ging wie… „für dich ist dein haustier nur ein teils deines lebens, aber für dein haustier bist du das ganze leben.“ – und als er da so quickfidel über das sofa gewuselt ist und er mir langsam sogar zu hektisch wurde, dachte ich kurz: „komm, jetzt tust ihn wieder in den käfig“ und dann fiel mir dieser spruch ein und ich dachte mir: „och, kannst den kleinen scheißer doch jetzt nicht einfach wieder so in den käfig sperren, bloß weil er hier so neugierig die gegend erkundet.“ – deshalb hab ich ihn weiter rumspringen lassen und da hat er sich ne minute später das bein gebrochen.

ich hab mich die ganze zeit gefragt, ob er den winter überstehen würde, weil er dann schon zwei werden würde und ich hab eben aufgrund seiner statur und seines „ernährungsstils“ ja immer damit gerechnet, dass er nicht so alt wird wie tchibo, aber dass er es jetzt nicht mal bis in den herbst geschafft hat, uff. ich glaub, das steckt noch so als schock in meinen knochen. langjährige leser kennen das vielleicht von mir, aber das ist dieses typische gefühl von vergessenen hausaufgaben. dieses .. kurze, spontane realisieren, dass irgendwas plötzlich fehlt, was aber ganz wichtig ist, wie jedes mal, als ich in der realschule gecheckt hab, wir hatten irgendwelche hausaufgaben auf, die ich mit meinem ads-hirn gar nicht wahrgenommen und deshalb auch nicht gemacht habe. und genau so ein gefühl ist das jetzt. ich denke immer dran, wer shomi jetzt in vier wochen während unseres urlaubes sittet und ob er den winter überstehen wird und wie lange er noch lebt und wann er mal alt und gebrechlich wird, nicht so wuselig wie jetzt immer noch… und nun liegt er tot in seinem bettchen und wartet darauf, dass er heute nachmittag beerdigt wird, sein letzter weg.

 

ja keine ahnung, ich bin platt.

suzaku

9 Gedanken zu „Shomi ist tot.

  1. Oje – das kleine Wuseli – jetzt tut ihm nichts mehr weh, aber dein Herzle umso mehr.
    Ich bin gestern ein bisschen bei Dir gewesen, aber zu lange Geschichte, und gehört jetzt hier vielleicht auch nicht hin. Ging jedenfalls auch um die Endlichkeit von meiner Katze.

  2. Oh nein, das tut mir leid <3 Das ist wirklich traurig. 🙁 Zum Glück konnte Shomi bei Dir sein und ein gutes Hamsterleben führen, ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele Menschen gibt, bei denen ein Hamster es besser hätte, als bei Dir. 🙁 <3

  3. Ich habe jetzt gerade erst einige deiner Einträge nachgelesen. Das tut mir leid mit Shomi. Wir hatten früher, als unser Sohnemann jünger war, mal 3 Rennmäuse. Das war auch immer sehr traurig, wenn so ein Tierchen dann starb und im Garten begraben wurde. Btw, wären vlt. auch was für dich, diese Rennmäuse. Sie sehen genauso niedlich wie Hamster aus, werden auch zahm, dabei aber doppelt so alt wie Hamster und sind tag- und nachtaktiv. Mann kann sie aber nicht alleine halten, es sollten schon mindestens 2 sein.

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von Fenzas

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen